Haushaltsrede 2012 im Herrenberger Gemeinderat

17.03.12 –

Haushaltsrede 2012

Bündnis 90/Die Grünen

im Herrenberger Gemeinderat

Maya Wulz

Fraktionsvorsitzende

 

Sehr geehrte Anwesende,

im vergangenen Jahr habe ich meine Rede damit begonnen,  alle Bürgermeister zur Wahl von GRÜN aufzufordern, weil die Grünen die Partei der Kommunen sei. Offensichtlich sind etliche Bürgermeister (und nicht nur sie) diesem Rat gefolgt. Die Einhaltung der Wahlversprechen ist dann auch prompt erfolgt. Die Mittelaufstockung für Schulsozialarbeit und Sprachförderung im Kindergartenbereich zeigt, welche Schwerpunkte die grün-rote Regierung setzt. Vor allem aber werden die Kommunen bei ihrer wichtigsten und finanziell drückendsten Pflichtaufgabe, dem Ausbau der Kleinkindbetreuung stark entlastet. Von 129 auf 444 Millionen Euro steigen die Zuweisungen. Und ab 2014 wird dann die von uns immer geforderte Drittelfinanzierung in diesem Bereich gegeben sein: Kommunen zahlen dann 32 %, das Land 68 %. (In Klammer möchte ich darauf hinweisen, dass der Bund dabei immer noch weit von seinem Drittel entfernt ist.) Aber da die Gesamtkosten steigen, wiegt unser Drittel freilich immer schwerer. Die Landesregierung lässt die Mehreinnahmen durch die  Grunderwerbssteuererhöhung fast vollständig dem Bereich Bildung und Betreuung zufließen. Die Herrenberger Verwaltung begründet ihre Erhöhung der Grundsteuer ähnlich: mit dem auch künftig gewaltigen Geldbedarf für den Betreuungsbereich. Unsere Fraktion folgt dieser Begründung und stimmt der Erhöhung um 50 Prozentpunkte zu. Auch wenn die überraschend gute Einnahmesituation dieses Jahr einen weiteren Schuldenabbau ermöglicht, folgen wir der Argumentation der Verwaltung, dass die Verbesserung der Einnahmesituation des Haushalts ein ebenso wichtiger Eckpfeiler eines weiterhin soliden Haushalts ist.

Wir unterstützen daher einen interfraktionellen Antrag, der ein Moratorium enthält, um insbesondere Familien vor einer raschen weiteren Erhöhung zu schützen und Begehrlichkeiten der Stadt in dieser Hinsicht zu vermeiden. Damit bekommen Steuerzahler/-innen und Stadtverwaltung gleichermaßen mehr Planungssicherheit. 

Ökologische Schuldenkrise

Über der EU-Dauerschuldenkrise gerät in Vergessenheit, dass wir uns global gesehen in einer viel existenzielleren, der ökologischen Schuldenkrise befinden. Herrenberg bemüht sich, seinen Teil zur Verringerung auch dieses Schuldenbergs beizutragen. An erster Stelle steht dabei die energetische Sanierung von städtischen Gebäuden mit Hilfe des vorbildlichen Energiekatasters, was CO2 und Energiekosten spart. Auch in finanzschwächeren Jahren müssen wir die Liste der Sanierungsobjekte weiter abarbeiten und dies, ohne schwerpunktmäßig auf die Amortisationszeiten, d.h. die sogenannte Wirtschaftlichkeit  zu schielen, wie dies die CDU-Fraktion verlangt.

Ein kurzer Blick auf die Bundespolitik zeigt hier leider drastische Defizite. Die Energiewende bleibt eine Atomwende - nicht mehr. Die schwarz-gelbe Regierung fährt die von ihr  beschlossene Wende an die Wand, vertändelt Deutschlands  ökologische Vorreiterrolle und ist im organisatorischen Chaos versunken: Sechs Ministerien streiten sich um die Zuständigkeit. Daneben  bremst Deutschland national und in der EU Maßnahmen zur Energieeffizienz aus, durch Gesetze, die den Mittelstand und die Verbraucher belasten und die Großindustrie schonen. Konkret gesagt fehlen hunderte von Millionen für energetische Sanierungen, die von der Bundesregierung nach dem Atomausstieg zugesagt wurden. Wieder muss es wohl die politische Basis, müssen es die Kommunen sein, die lokal die Energiewende vorantreiben.

 

Dauerverkehrsproblem in der Innenstadt

Auch  unser Dauerverkehrsproblem in der Innenstadt gehört zur ökologischen Schuldenkrise. Neben Ladenhüterlösungen wie dem Schlossbergtunnel oder einem Würgering durch eine Südumfahrung, was auch jahrzehntelangen Planungsstillstand bedeuten würde, gibt es von den Preisträgern im Innenstadtwettbewerb auch neue, kleine Lösungen, wozu auch schon  unsere Fraktion Vorschläge entwickelt und eingebracht hat. : eine Innenstadttangente entlang des Bahndamms oder ein Innenstadttunnel zwischen Horber und Nagolder Straße. Auf jeden Fall muss das übergeordnete Ziel die Verkehrsverminderung, nicht nur die Verlagerung sein, damit CO2 und Stickstoffoxidemissionen verringert werden.

 

Radfahren als Alternative stärken

Dazu gehört, die Alternativen zu stärken – allen voran das Radfahren. Durch den Gemeinderatsbeschluss für Radmarkierungen auf dem Schick-Platz, den Beitritt zur Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen und das Projekt „Stadt Herrenberg  - ein fahrradfreundliches Unternehmern“ haben wir in letzter Zeit, besonders auf grüne Initiative hin, einiges bewegt. Flankierend brauchen wir aber auch Ergänzungen des bestehenden Radwegenetzes. Dazu haben wir einen Antrag eingebracht.

 

Stadtwerke unterstützen Energiewende

Die ökologische Schuldenkrise kann nur durch die Energiewende gelöst werden. Die ökonomischen und ökologischen Potenziale dafür sind noch nicht einmal angekratzt. Das betrifft auch die Stadtwerke. Mit der Sparte „erneuerbare Energien“ stehen wir hier erst am Anfang. 2012 ist das UNO „ Jahr der Genossenschaften“. Dazu würde passen, dass die SWH das im Dornröschenschlaf schlummernde Projekt „Herrenberger Energiegenossenschaft“ zum Leben erweckt. Und um die Zukunftsfähigkeit der Stadtwerke zu sichern, sollten Überlegungen zu Kooperationen mit anderen Stadtwerken angestellt werden.

 

Innenstadtwettbewerb

Die Ergebnisse und  Vorschläge des Innenstadtwettbewerbs werden viele Entscheidungen der nächsten Jahrzehnte beeinflussen. Aktuell ist es die Aufgabe von Gemeinderat, Verwaltung und Bürgerschaft, einen Zeithorizont für kurz-, mittel- und langfristige Module abzustecken und sich auf erste umsetzbare Planungsabschnitte zu einigen. Dazu gehört ein erstes Wohnbauareal, die Aufwertung der Nagolder Straße als attraktiver „Vorgarten“ zur Altstadt und vor allem die angesprochene verkehrliche Grundsatzentscheidung. Für die Ansiedlung von Einzelhandel gilt: Ergänzung, nicht Konkurrenz zur Altstadt.

 

Umgang mit Flächen

Durch die Beharrlichkeit grüner Thematisierung sind allerorten viele dicke Bretter durchgebohrt worden. Der generationenverträgliche Umgang mit Flächen gehört noch nicht dazu. Der Bauhunger ist leider immer noch größer als die Einsicht, dass sich neue Baugebiete nun einmal mit dem Vorrang der Innenentwicklung beißen. Dieses Instrument  ist weniger publikumswirksam, mühseliger und langwieriger, aber dafür billiger und nachhaltig. Im Übrigen haben die Grünen bei dieser Sichtweise Unterstützung bekommen von unerwarteter Seite: der Deutsche Bauernverband, wie auch der Kreisbauernverband fordern ebenfalls einen Verzicht auf Baugebiete auf der grünen Wiese zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen. Um hier weiterzuarbeiten, haben wir einen Antrag eingebracht.

Aktuelle Prognosen gehen immer noch von zusätzlichem Wohnungsbedarf aus. Zunehmende Singlehaushalte und Ansprüche an die Wohnfläche machen dies bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Die dazu vom statistischen Landesamt genannten Wachstumsraten müssen aber hinterfragt werden. Auch hier darf nicht allein ein nie endender „Bedarf“ als Richtschnur gelten, sondern müssen Nachhaltigkeitskriterien angelegt werden. Auch nicht jede Straße aus dem Bundesverkehrswegeplan muss und wird gebaut werden. Für Herrenberg bedeutet das: auch Gebiete, die als Siedlungsschwerpunkte ausgewiesen sind, müssen nicht zwangsläufig neue Baugebiete nach sich ziehen - Stichwort Gültstein. Das Thema Wohnbauflächenanalyse wird  in diesem Jahr noch ein kontroverser Schwerpunkt sein.

 

Kinderbetreuung

Die Kinderbetreuungsnachfrage hat Wachstumsraten, von denen die Industrie nur träumen kann. Auch eine Kommune muss dies gesamtgesellschaftlich gesehen begrüßen, denn es zeigt sich, dass der altbekannte Spagat zwischen Beruf und Familie leichter wird. Gleichzeitig wird das Investitionsniveau – in baulicher wie personeller Hinsicht – auf Jahre hinaus hoch bleiben. Obwohl Herrenberg ein gutes Ausbautempo vorlegt, scheinen wir immer dem Bedarf, genauer dem Nachholbedarf, hinterherzuhinken. Ich prognostiziere deshalb, dass die im Haushalt für 2015ff angedachten Kernzeiträume für die Vogt-Hess-Schule schon früher konkretisiert werden müssen. In der Haushaltsrede hat der Oberbürgermeister von Aufnahmekriterien gesprochen, die in unseren Augen aber eigentlich Ausschlusskriterien sind. Unsere Fraktion wird das nur übergangweise akzeptieren und auch nur dann, wenn eine konkrete Zeitschiene für die Kapazitätserweiterung für SchülerInnen der Grundschulen ebenso wie für  5. und 6. Klassen vorgelegt wird - und zwar für alle Schularten. Unter „Kapazitätserweiterungen“ müssen dabei nicht unbedingt neu gebaute Räume zu verstehen sein.

 „Verschiedene Schulen, gleiche Betreuung“: Im Hinblick auf bessere Kontakte zwischen den SchülerInnen verschiedener weiterführender Schularten sind gemeinsame Kernzeitbetreuungsangebote in beiden Schulzentren pädagogisch wie organisatorisch eine Option, die untersucht werden sollte.

Ein fiskalischer Nachsatz: mehr betreute Kinder bedeuten auch mehr Nutzer unserer unausgelasteten Mensen.

Der Vorrang für Investitionen im vorschulischen Bereich ist richtig. Die Daueraufgabe der Schulsanierungen, Stichwort Schickhardt Gymnasium, 2. Bauabschnitt der Naturwissenschaften, darf und wird darüber auch nicht  vergessen.

 

Breites schulisches Angebot sichern

Die Breite der schulischen Angebote ist eines der besten Pfunde, mit denen Herrenberg wuchern kann. Auch wenn das die Stadt und den Gemeinderat schmerzt zu hören: Schule lebt dabei nicht vorrangig von schönen Gebäuden, und seien sie noch so neu und teuer wie die Aischbachhalle.  Investitionen in Menschen sind noch wichtiger. Die von allen Fraktionen unterstützten neuen Schulsozialarbeiterstellen sind ein wichtiger  und keineswegs ein luxuriöser Schritt. Insofern wird die Grüne Fraktion den 85 000 Euro, die nach Auslaufen der Anschubfinanzierung in ein paar Jahren anfallen werden,  bei Wiedervorlage des Themas zustimmen.

Auch das Miteinander von Schülerschaft, Lehrern und Eltern muss klappen. Dieses Zusammenwirken ist ein ständiger Prozess, bei dem immer wieder innegehalten werden muss, um ihn zu evaluieren. Für die Schulen ist das wichtig, aber auch, um dieses Pfund einer gut aufgestellten Schullandschaft für die Stadt zu erhalten. 2012 wird ein solches Jahr des Überprüfens und Weiterentwickelns sein.  

 

Herrenberg als Mitmachstadt

Das Beispiel von Herrenberg als Mitmachstadt ist unterdessen fast schon landesweit bekannt und hat es in mehrere Publikationen geschafft. Ein besonders effektives Beispiel für Bürgeraktivität ist der von der Beauftragten für Chancengleichheit angestoßene „Herrenberger Aktionsplan“ (LAP). Von 2011 bis 2013 fließen dafür 230.000 Euro an Bundesmitteln in die Unterstützung vieler Projekte, die „Toleranz fördern und Kompetenz stärken“ sollen. In den Augen unserer Fraktion erfüllt dieser Aktionsplan unser noch junges Stadtmotto auf vorbildliche Weise mit Leben – noch dazu ohne Kosten für den Stadtsäckel! Aber auch was ein  „Hardware“thema wie das Freibad betrifft, hat erst die Begleitung durch die Bürgerschaft den jahrzehntelangen Gordischen Knoten durchschlagen und zur Konsenslösung führen können.

 

 

Barrierefreiheit

Es müssen aber auch alle BürgerInnen mitmachen können. Dazu fehlt an vielen Orten noch ganz praktisch die Barrierefreiheit. Um Bewegungshemmnisse für Senioren und Behinderte schrittweise abzubauen, beantragt die Fraktion der Grünen, Mittel im Haushalt bereitzustellen. 

 

Liebe Anwesende, Abraham Lincoln hat es einst geschafft, das Wesen der Demokratie in lediglich 13 Worten zu beschreiben: „Demokratie ist die Herrschaft des Volkes, für das Volk und durch das Volk.“  Ich habe dieses Jahr das erste Mal, meinen Vorsatz, eine kürzere Rede zu halten, umgesetzt – an der Lincolnschen Kürze und auch an der Qualität werde ich noch weiter arbeiten.

Für Herrenberg wünsche ich mir, dass die Themen und Projekte, die wir uns für das Jahr 2012 vorgenommen haben, wie geplant umgesetzt werden und im zeitlichen wie im finanziellen Rahmen bleiben.

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