Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Gemeinderat

19.12.23 –

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir stehen in Europa vor dem zweiten Kriegswinter in der Ukraine. Im Nahen Osten wird gekämpft. Dabei handelt es sich nur um zwei von weltweit über vierzig Kriegen und weiteren Krisenherden. Und solange Kriege geführt werden, werden Menschen gezwungen zu flüchten. 

Was haben wir in Herrenberg für einen Einfluss auf das Weltgeschehen? Was zunächst vermessen erscheint, sieht auf den zweiten Blick anders aus. Denn wir entscheiden welche Art von Energie, in welchen Mengen wir verbrauchen. Sind es fossile Energieträger, die das Klima weiter anheizen, Kriege finanzieren und uns von Diktatoren abhängig machen oder regenerative Energien, die nicht zur weiteren Klimaerwärmung führen und zudem noch zur Wertschöpfung vor Ort beitragen.

Die grüne Fraktion wird dem Haushalt mehrheitlich zustimmen. Nicht, weil wir von dem Haushaltsentwurf überzeugt sind, das möchte ich ganz deutlich sagen. Der Grund für unsere Zustimmung ist die bestehende Ausnahmesituation, in der wir die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt sichern müssen. Ich möchte aber auch klar festhalten, dass die prekäre finanzielle Situation nicht nur fremdbestimmt ist. Sie ist zu einem guten Teil hausgemacht. Verwaltung und die Mehrheit des Gemeinderates haben in den vergangenen Jahren nicht verstanden, dass Investitionen in erneuerbare Energien und Klimaschutz uns resilienter und zukunftsfähiger gemacht hätten und machen. Hätten wir vernünftig investiert und agiert, wäre unsere Abhängigkeit von teurer fossiler Energie heute nicht so groß.

Also: Auf das Land zu zeigen, das die Kommunen mit zu wenigen Mitteln ausstattet; auf den Bund zu zeigen, der die Kommunen mit immer neuen Lasten belegt – das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist, dass wir in Herrenberg Umwelt- und Klimapolitisch die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben.

Bei der Rede zum Haushalt 2023 mahnten wir, die Kassandrarufe mögen gehört werden. Doch die Warnung verhallte ein weiteres Jahr ungehört.

Aus Sicht der grünen Fraktion gibt es vor allem drei entscheidende Kriterien, an denen wir den aktuellen Haushaltsentwurf messen müssen:

  • Erstens: stabile Finanzen, um handlungsfähig und entwicklungsfähig zu bleiben.
  • Zweitens: Nachhaltigkeit um nachfolgenden Generationen gerecht zu werden.
  • Drittens: Bei der Betreuung müssen wir uns auf die Kernthemen besinnen und für Bildung gute Voraussetzungen schaffen.

In allen drei Feldern sehen wir Defizite sowohl kommunalpolitisch als auch im vorliegenden Haushaltsentwurf.

Stabile Finanzen

Es ist unausweichlich den Ergebnishaushalt zu stärken, damit statt einem Defizit ein Überschuss erreicht wird und wieder Spielräume für Investitionen z.B. in Schulen und Kitas sowie Feuerwehrgebäude entstehen. Wir müssen uns sowohl um die Einnahmen als auch die Ausgaben kümmern. Die Einführung des Erbbaurechts, würde jährlich den Ergebnishaushalt stärken und der Kommune Steuerungsmöglichkeiten erhalten sowie einem größeren Personenkreis das teuer gewordene Bauen ermöglichen. Wir plädieren dafür die städtischen Grundstücke im Baugebiet Gartenäcker mit Erbbaurecht zu vergeben.

Die Fortführung der Altersteilzeit, die Auszahlung der Stadtteilbudgets trotz großer Ausgaberesten und die Asphaltierung der Feldwege am Schönbuchhang im Zuge der Flurbereinigung sind Ausgaben, die wir in diesen finanziell schwachen Zeiten nicht befürworten können. Sie würden uns in den nächsten Jahren immer mehr handlungsunfähig machen.

Nicht an der falschen Stelle sparen

Aufgeschobene Sanierungen kommen uns jetzt teuer zu stehen.

Die 45 Jahre alte Ölheizung der Grafenberghalle nimmt beim Verbrauch einen Spitzenplatz unter den Sporthallen ein. Die Sanierung wäre eine rentierliche Investition und Wirtschaftsförderung gleichermaßen. Sie ist überfällig.

Bei den sanierungspflichtigen, städtischen Gebäuden hilft Wegschauen nicht. Wir schlagen vor die nächste Baustellenrundfahrt diesen Gebäuden zu widmen.

Stadtwerke

Bei den Stadtwerken beobachten wir einen Stillstand, zumindest was den Ausbau der Erneuerbaren Energien betrifft. Die versprochene Bürgerbeteiligung dazu, ist im Wirtschaftsplan der Stadtwerke nicht abgebildet. Die Stadtwerke sollen nach dem Klimafahrplan eine zentrale Rolle spielen. Nur gibt es dafür bis heute keine geeignete Strategie.

Der vorgelegte Wärmeplan ist eine einzige Enttäuschung. Wir nehmen unter Tagesordnungspunkt sieben dazu Stellung.

Die wirtschaftliche Schieflage der Stadtwerke ist für den gesamten Haushalt bedrohlich. Viel zu spät haben die Stadtwerke realisiert, dass der Gasverkauf ein Auslaufmodell ist. Während andere Stadtwerke in erneuerbare Energien investiert haben und inzwischen damit richtig viel Geld verdienen, haben unsere Stadtwerke in neue Gasleitungen investiert.

Es ist ein Irrglaube, dass zukünftig die privaten Haushalte mit Wasserstoff zum Heizen versorgt werden. Wir werden das Gasnetz bis 2040 abschreiben müssen.

Für den European Energy Award, demKlimamanagement der Verwaltung, sind keine Mittel eingestellt. Die für den Klimafahrplan wurden gekürzt. Die Umsetzung des Klimafahrplanes darf jedoch nicht von der Haushaltslage abhängen. Wir sind uns sicher, dass Nichthandeln uns auf Dauer teuer zu stehen kommt.

Mobilität

Am weitesten entfernt von Klimaneutralität sind wir beim Sektor Verkehr. Statt der Seeländerunterführung benötigen wir eine sichere Lösung für Radfahrer:innen entlang der Nagolder Straße, zum Beispiel einen Schutzstreifen oder die Überlassung einer eigenen Fahrspur.

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir den ÖPNV viel mehr im Fokus haben. Mit einem unverständlichen Takt der Linien 782 und 751, verspäteten oder komplett ausfallenden Bussen sowie verhinderten Anschlüssen gewinnen wir keine neuen Fahrgäste.

Kinder-Betreuung

Wir stellten einen Antrag zu den Kita-Öffnungszeiten, weil wir der Meinung sind, dass wir uns an die Rechtsprechung anlehnen müssen. Für Öffnungszeiten von mehr als acht Stunden fehlen uns heute und in absehbarer Zeit Erzieher:innen.

Ein nachhaltig verlässliches Kita-Angebot für Kinder, Eltern und Beschäftigte ist das Gebot der Stunde. Mehr dazu unter Tagesordnungspunkt fünf.

Der Fachkräftemangel wird uns zwingen Pädagog:innen zielgerichtet für Bildungsangebote und Hilfskräfte auch mit Migrationshintergrund für Betreuung einzusetzen.

Das Personal für Kitas ist das eine, Räume oder Naturkindergärten wie wir sie seit Jahren fordern,das andere. Naturkindergärten dürfen nicht als billiges Sparmodell daherkommen. Sie sind ein wertvolles Angebot für eine nachhaltige Bildung.

Voraussetzungen zum Lernen schaffen

Im Schulbereich sind mit der Umsetzung des Masterplan Schulen - inbegriffen die Inklusion, der Ganztagesbetreuung an den Grundschulen sowie dem Ausbau der Schulsozialarbeit große Aufgaben zu bewältigen.

Die steigende Zahl an Schüler:innen zwingt uns relativ schnell zu handeln. Wir vermissen dafür einen Finanzierungsplan der Verwaltung. Provisorien wären langfristig keine gute Lösung. Alternativ könnten wir neue, unkonventionelle Wege gehen, wie den einer fortentwickelten Naturparkschule.

Deutlich mehr Schulsozialarbeiter:innen benötigen wir zur Unterstützung von Schüler:innen und Lehrer:innen und um gegenüber Eltern zu vermitteln.

Bei allen Bemühungen um Haushaltsanierung dürfen wir unseren Kindern keine maroden Schulgebäude hinterlassen und Schulen, die im internationalen Vergleich immer schlechter abschneiden.

Ende 2024 läuft die Förderung von „Demokratie leben“ beim Stadtjugendring aus und 130 Prozent Arbeitskraft fallen weg. Der Stadtjugendring ist mehr als nice to have, machen durch ihn viele Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit Ehrenämtern. Es darf nicht am falschen Ende gespart werden. Die Finanzierung muss bald gesichert werden, ohne die Arbeit des Stadtjugendringes zu verstümmeln.

Ehrenamtliche Arbeit wird von vielen Menschen und Gruppen in der Stadt geleistet. Leider ist es unmöglich alle aufzuzählen. Allen gilt unser herzlichster Dank.

Last but not least

Für die Aufstellung des umfangreichen Haushaltsentwurfes danken wir der Verwaltung, insbesondere Herrn Metzing und Herrn Deininger.

Danken möchten wir auch unserem ausscheidenden Oberbürgermeister für seinen Einsatz um das erweiterte Medizinkonzept für Herrenberg.

Von unserem neu gewählten Oberbürgermeister erhoffen wir uns, dass er gemeinsam mit dem Gemeinderat die notwendigen Richtungswechsel für stabile Finanzen, für die Erreichung der Klimaziele und für die Bewältigung der Pflichtaufgaben im Betreuungs- und Bildungsbereich einschlägt.

Für die Fraktion:
Waltraud Pfisterer-Preiss
Dr. Heike Voelker
Alfred Steinki

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